Glaukom oder nicht Glaukom das ist hier die Frage ...
Frei nach Shakespeare ...
Oder
Wie geht man als Züchter einer Rasse, die eine genetische Disposition für Glaukom hat, mit dem Befund Goniodysplasie um?
Wenn Sie mehr dazu erfahren möchten, dann lesen Sie meinen Erfahrungsbericht im folgenden ...
Wie alles begann....
2004 ging meine schwedische Stammhündin Fini in den wohlverdienten Ruhestand und ich wollte mit ihrer Tochter Nele weiter züchten. Das vorgeschriebene Prozedere erfolgte: Zuchttauglichkeit, HD-Untersuchung, Augenuntersuchung. Ich weiss nicht mehr genau warum, jedoch entschied ich mich zu diesem Zeitpunkt, meine drei Hunde auch gonioskopisch untersuchen zu lassen: Fini und ihre beiden Töchter Nele und Flicka aus unterschiedlichen Verpaarungen. Nele und Flicka erhielten das Ergebnis frei, Fini hatte Auffälligkeiten und erhielt Anmerkungen zur Goniodysplasie! Meine Gefühle wechselten zwischen Erleichterung und Schrecken. Einerseits konnte ich mit gutem Gewissen weiterzüchten, andererseits: was würde aus meiner Althündin werden? Würde sie ein Glaukom entwickeln? Der DOK-Arzt konnte mir darauf keine zufriedenstellende Antwort geben.
Dazu etwas Theorie....
Schauen wir einem Hund in die Augen, sehen wir nur einen Teil seines Augapfels. Dieser Teil wird durch eine relativ dicke, aber lichtdurchlässige Haut geschützt, der Hornhaut. Was wir noch sehen, ist die runde gefärbte Iris. Sie kann braun, grünlich, aber auch bei einigen Rassen und bei Welpen bläulich sein. Diese Iris besitzt in der Mitte einen runden schwarzen Kreis, die Pupille. Direkt hinter der Pupille liegt eine Linse. Durch die Pupille und die Linse kann Licht in das Auge dringen. (Ich möchte jetzt nicht auf das Phänomen des Sehens eingehen; es sei nur erwähnt, dass dies im Prinzip der Technik des Fotografierens entspricht.) Um ihre Position im Auge zu behalten, sind Linse und Iris an der das Auge umschließenden Hülle befestigt. Die Linse ist zwischen feine Fasern gespannt, deren Wurzel Ziliarkörper genannt wird. Ich erläutere dies so ausführlich, da sich sonst der ganze Sachverhalt nicht erklären lässt. Damit das Auge so schön rund und prall ist, ist es im vorderen Teil bis zur Linse mit Flüssigkeit gefüllt. Diese Flüssigkeit - das Kammerwasser wird im Ziliarkörper des Auges produziert und gelangt durch die Pupille in die vordere Augenkammer (= der Raum zwischen Iris und Hornhaut). Da das Kammerwasser nun kontinuierlich produziert wird, muss es auch abfließen. Das Kammerwasser fließt durch ein siebartiges Geflecht (Trabekelwerk) ab, das sich ringförmig an der Stelle befindet, wo sich die Iris an die Hornhaut anschließt. Dieses Trabekelwerk befindet sich im sogenannten Kammerwinkel.
Was wird eigentlich untersucht?
Nur durch das Aufsetzen einer speziellen Linse auf den Augapfel des Tieres kann der Tierarzt den Bereich zwischen Hornhaut-Rückfläche und Iris-Vorderfläche untersuchen- also den Kammerwinkel, wie auch das Trabekelwerk. Diese Untersuchung wird Gonioskopie genannt.
Was stellt der Arzt fest?
Der Tierarzt untersucht die Größe des Kammerwinkels ist der Kammerwinkel normal weit oder ist er verengt oder gar geschlossen? Auch das siebartige Geflecht des Trabekelwerks kann Veränderungen aufweisen, die dazu führen können, dass die Strukturen geschlossen erscheinen. Man spricht bei diesen Veränderungen von goniodysplastischen Veränderungen oder Goniodysplasie.
Das Problem dieser Untersuchung ist, dass keinerlei Messungen vorgenommen werden können. Der Tierarzt schätzt den Befund ein und bewertet diesen.
Das Glaukom
Ist der Kammerwinkel und/oder das Trabekelwerk anatomisch dermaßen verändert, dass der Abfluss des Kammerwassers nicht mehr gegeben ist, sammelt sich Kammerwasser in der hinteren Augenkammer an, es kommt zu einer Erhöhung des Augendrucks. Der erhöhte Augeninnendruck drückt auf den Sehnerv (im hinteren Teil des Augapfels) und beeinträchtigt die Blutversorgung der Nervenfasern, was zu irreparablen Schäden, d.h. zum Erblinden, führen kann. Diese Erkrankung wird Glaukom genannt.
Wie ging es nun weiter...
Bei Fini wurde jedes Jahr vom Tierarzt der Augendruck gemessen. Er blieb stets unverändert (Fini wird im Juli 11 Jahre alt!). Nele wurde in England mit einem Rüden belegt, der ebenfalls alle Zuchtvoraussetzungen erfüllte, inklusive einer gonioskopischen Untersuchung, deren Ergebnis passed also bestanden war. Es wurden also zwei freie Hunde miteinander verpaart. Ich behielt eine Hündin aus diesem Wurf Sally. Sally sollte in die Zucht ... das übliche Prozedere ... Sally wurde ebenfalls gonioskopisch untersucht, denn diese Untersuchung gehört jetzt zu meinem persönlichen Untersuchungsprogramm. Der Befund lautete: goniodysplastische Veränderungen! L Sallys Schwester in Holland soll ebenfalls in die Zucht ... alle Voraussetzungen sind erfüllt ... Befund der gonioskopischen Untersuchung: goniodysplastische Veränderungen! Lange Rede kurzer Sinn: Aus diesem Wurf wurden vier Hunde untersucht (2 Rüden und 2 Hündinnen): drei weisen goniodysplastische Veränderungen auf, nur ein Rüde ist absolut frei! Und dies bei zwei gonioskopisch freigetesteten Elterntieren!!! Da fragt man sich dann als Züchter, ob die Statistik geschlafen hat oder ob das einem Sechser im Lotto gleichkommt! Mich packte jedenfalls das züchterische Grausen!
Kopf in den Sand stecken?
So schnell jedenfalls nicht! Ich machte weiter. Sally und ihr ebenfalls belasteter Bruder wurden noch einmal gonioskopisch untersucht dieses Mal von einem niederländischen Professor, der gelegentlich in Hannover Zuchtuntersuchungen macht. Die Ergebnisse waren die gleichen. Doch dieser Arzt machte mir klar, dass meine Bemühungen sehr honorig seien, sie jedoch wenig Sinn machten. Die Zahl der WSS, die er schon untersucht hatte, könnte er an zwei Händen abzählen ... und was ist das schon? Zu dem Befund könnte er gar nichts sagen ..., da müsste man schon mehr Erfahrung mit der Rasse haben. L
England!
Wenn es irgendwo Welsh Springer gibt, dann in England! Nun wusste ich als Mitglied des dortigen Parent-WSS-Clubs, dass es dort zwei Augenärzte gibt, die sich seit den frühen 80er Jahren mit der Rasse WSS beschäftigen und diese auch bevorzugt untersuchen. Der Jahresurlaub wurde kurzerhand nach England verlegt und Sally im April dieses Jahres von Dr. Beverley Cottrell untersucht. Es gibt Augenblicke im Leben eines Züchters, da hat man das Gefühl auf Wolken zu schweben - Sally erhielt den Befund passed, d.h. bestanden und ist somit für die Zucht zugelassen!
Kann man Befunde vergleichen?
Alle DOK-Tierärzte in Deutschland und alle spezialisierten Augentierärzte im Ausland untersuchen und bewerten nach den Standards der ECVO (European College of Veterinary Ophthalmologists). Dennoch unterliegt der Befund dem persönlichen Vermögen und Ermessen des Arztes ... und seinen eigenen Erfahrungen.
Im Falle von Sally wurde von allen drei Ärzten eine mehr oder weniger leichte Goniodysplasie festgestellt. Die englische Ärztin erklärte mir weiterhin, dass die Untersuchung eines Hundes mit solch hoch pigmentierten Augen, wie denen meiner Hündin Sally (welch wunderschöne dunkelbraune Augen!), den Arzt vor besondere Schwierigkeiten bei der Untersuchung stellt: Er sieht wohlmöglich mehr, als eigentlich vorhanden ist! Bei Sally liegt die Veränderung im Bereich zwischen 10-15% und gilt für die englische Spezialistin als unauffällig.
Und nun?
Während die beiden Ärzte aus Deutschland und den Niederlanden mich mit dem Befund mehr oder weniger im Regen stehen ließen, ich weder erfuhr, ob mein Hund erkranken wird, noch ob mein Hund für die Zucht geeignet ist, bekam ich nun von Dr. Cottrell die klar formulierte Zuchtempfehlung, nur einen Rüden zu benutzen, der gonioskopisch auch absolut frei getestet wurde. Nun denn!
Wie sieht die Situation bei der Rasse WSS aus?
Im Jahrbuch 2006/2007 des Niederländischen WSS-Clubs geht man von einer Erkrankungsrate von ca. 0,5% aus. Das hört sich nicht viel an, kann aber viel sein, wenn man selbst der Besitzer solch eines Hundes ist. Das Glaukom kann schon beim jungen, z.B. vierjährigen Hund zur Erblindung führen. Wie Glaukom beim WSS vererbt wird, kann zur Zeit nicht mit Gewissheit gesagt werden. Vermutlich wird es sich um einen polygenen Erbgang handeln - also um einen Erbgang, bei dem mehrere Gene beteiligt sind. Sicherlich werden diese Gene auch noch eine variable Expressivität besitzen.
Auf die Frage, welche Form der Goniodysplasie ein Glaukom zur Folge hat, erhielt ich von Frau Dr. Cottrell die Antwort, dass die Dysplasie so weit fortgeschritten sein muss, dass das Trabekelwerk komplett geschlossen und der Kammerwinkel extrem verengt sein muss.
Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass dies ausschliesslich für den Welsh Springer gilt! Rassen sind nicht miteinander zu vergleichen! Der Grad der goniodysplastischen Veränderungen, die zur Entwicklung eines Glaukoms führen, ist rassespezifisch!
Ist beim Welsh Springer Spaniel eine Veranlagung festgestellt worden, bedeutet dies nicht, dass der Hund auch wirklich erkranken wird!!!
Mein persönliches Fazit
Es gibt nur sehr wenige Deckrüden, die eine gonioskopische Untersuchung haben. In England erhalten alle Hunde, egal, ob sie total frei oder geringfügig belastet sind, das Ergebnis passed = bestanden.
Genetisch gesehen ist meine Hündin Sally Träger der Krankheit Glaukom mit jedoch schwacher Ausprägung. Sind wir doch ehrlich: ein bisschen vererbt, gibt es nun mal leider nicht. Entweder der Hund hat es oder nicht. Um von meiner Hündin eine phänotypisch gesunde Nachzucht zu erhalten, muss sie mit einem total freien Rüden verpaart werden.
Also: Woher ihn nehmen?
Und: Es gibt ja nicht nur diese eine Erbkrankheit bei der Rasse WSS .... man denke an Epilepsie, Schilddrüsenunterfunktion, Nierenerkrankung, Katarakt und zu guter letzt ja auch HD ... ganz zu schweigen, dass die Rot-Weißen ja auch noch wie typvolle WSS aussehen und sich verhalten sollen!
Wie ist das mit der Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen...!?
Meine Hoffnung...
...wäre, wenn Sie, lieber Leser, nicht gleich rufen: die Hündin muss aus der Zucht! Tja, wenn das so einfach wäre! Würden alle WSS-Züchter dies bei jeder Erbkrankheit tun, gäbe es binnen kurzem keine Zuchthunde mehr. Kleine Rassen mit geringer Population und wenigen Vererbern sind nicht gerade arm an genetischen Problemen.
Mein Wunsch wäre es, wenn sich mehr Züchter entschließen würden, alle Erbkrankheiten, die testbar sind, auch testen und die Resultate durch den Rassehunde-Klub veröffentlichen zu lassen. Wir züchten nicht für den Augenblick, auch nicht für die nächste Ausstellung oder den nächsten Titel. Züchter und Rassehunde-Klubs müssen die Zukunft der Rasse im Auge behalten! Wir dürfen Erbkrankheiten, auch wenn sie momentan nur gelegentlich auftreten, nicht unterbewerten aber wir dürfen auch nicht in Panik verfallen. Ob eine Krankheit für eine Rasse zum Problem wird, kann nur festgestellt werden, wenn über einen langen Zeitraum großflächig untersucht und dann ausgewertet wird. Einmalige Umfragen sind so sinnlos wie die gonioskopischen Untersuchungen in meiner Zucht. Sie geben nur eine unzureichende Momentaufnahme.
Kein Züchter macht mutwillig kranke Hunde, doch er ist rechtlich und moralisch verantwortlich für seine gezüchteten Hunde. Verharmlosung und Unehrlichkeit öffnen Erbkrankheiten Tür und Tor und erschweren jede Weiterzucht.
Nur durch Offenheit und Engagement von Seiten der Rassehunde-Klubs, der Züchter und auch der Welpenkäufer ist eine Zukunft für die einzelnen Rassen möglich!
Wäre ich nicht hoffnungsvoller Optimist, würde ich nicht diesen Artikel geschrieben haben ...
Franziska Hapke
Welsh of Salt and Pepper,
Lüneburg, Mai 2008
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